Mobbing: Tatort Schule

Mobbing: Tatort Schule

Ein Thema, das nicht nur die betroffenen Kinder und Jugendlichen, sondern auch uns als Eltern, Lehrkräfte und die gesamte Schulgemeinschaft betrifft.

Mobbing ist ein komplexes Phänomen, das sich nicht auf einfache Ursachen zurückführen lässt. Es geht um Machtungleichgewichte, Ausgrenzung, wiederholte Schikanen und kann sowohl physisch als auch psychisch, direkt oder über digitale Medien erfolgen. Die Auswirkungen auf die betroffenen Kinder und Jugendlichen sind tiefgreifend: von Schulangst und Leistungsabfall über psychosomatische Beschwerden bis hin zu langfristigen psychischen Problemen im Erwachsenenalter. Sowohl auf Täter- als auch auf Opferseite gibt es später ein erhöhtes Risiko, straffällig und auch depressiv zu werden. Der Selbstwert der betroffenen Person nimmt massiv ab und das Suizidrisiko steigt. Interessanterweise zeigen Studien, dass Mobbing an Schulen nicht nur ein individuelles, sondern ein soziales Problem ist, das in der Dynamik von Gruppen wurzelt. Dies bedeutet, dass Präventions- und Interventionsstrategien sich nicht nur auf Täter und Opfer konzentrieren dürfen, sondern die gesamte Schulgemeinschaft einbeziehen müssen. Die Landesregierung und auch private Initiativen und Vereine haben sich dieses Themas angenommen: Es gibt eine Vielzah

Expertinnen-Interview mit Christina Hilburg, Schulsozialarbeit Fachbereich Schulen der Gemeinde Lindlar
Mobbing Expertin Christina Hilburg Freepik

1. Was sind die häufigsten Anzeichen dafür, dass ein Kind gemobbt wird, und wie können Eltern das erkennen?

Dafür ist es zuerst einmal wichtig, sich den Unterschied zwischen Mobbing und
„normalen“ Konflikten bewusst zu machen. Mobbing zielt darauf ab, einen anderen Schüler absichtlich und planvoll zu demütigen, zu schikanieren oder anderweitig zu schädigen. Mobbing richtet sich kontinuierlich und über einen längeren Zeitraum gegen eine bestimmte Person und es gibt ein dauerhaftes Machtgefälle, aus dem die Mobbingopfer allein nur sehr schwer wieder rauskommen. „Normale“ Konflikte sind kürzere Auseinandersetzungen, die meist nach ein paar Tagen vergessen oder erledigt sind, die offen ausgetragen werden und bei denen es nur einen begrenzten Machtmissbrauch gibt. Anzeichen für Mobbing können zum Beispiel Veränderungen im Verhalten und den Schulleistungen, emotionale Reaktionen und soziale Rückzugssignale sein, auf die Eltern achten sollten. Auch eine plötzliche Abneigung gegen die Schule kann ein Anzeichen sein.

2. Welche Auswirkungen kann Mobbing auf die psychische und emotionale Gesundheit von Kindern haben, und warum ist es so wichtig, frühzeitig dagegen vorzugehen?

Es ist inzwischen durch Studien belegt, dass Mobbing nicht nur die psychische Entwicklung beeinträchtigen kann, sondern auch mit körperlichen Krankheiten in Verbindung steht. Durch einen erheblichen Rückgang des Selbstwertgefühls und der Lebensfreude können Mobbingopfer vermehrt zu Depressionen neigen und sogar ein erhöhtes Suizidrisiko aufweisen.

Die direkten, sichtbaren Auswirkungen von Mobbing können sich in verschiedenen Verhaltensweisen zeigen, wie beispielsweise Schulschwänzen, Konzentrationsschwäche, Müdigkeit, Schlafstörungen, Leistungsabfall und ständigem Zuspätkommen. Kinder, die gemobbt werden, neigen dazu, in den Pausen länger im Klassenraum zu trödeln, Gruppenarbeiten zu meiden und ihren Kontakt zu Freunden zu verringern.
Ein weiterer Aspekt ist die Veränderung der Gruppendynamik durch Mobbing. Die Mitglieder der Gruppe, meist ist das ja eine Klassengemeinschaft, sind oft überzeugt, dass das Opfer selbst für seine Situation verantwortlich ist. Diese Überzeugung führt dazu, dass die Gruppe weniger oder keine Empathie entwickelt und kein schlechtes Gewissen in Bezug auf ihre Handlungen oder das Unterlassen von Hilfe hat. Hier sprechen wir wirklich von der ganzen Klasse, da auch die SchülerInnen, die zwar nicht aktiv mit mobben, aber auch nicht eingreifen, also die sogenannten „Zuschauer“, eine Position einnehmen.

3. Welche Rolle spielen soziale Medien beim modernen Schulmobbing, und welche Maßnahmen können Eltern ergreifen,um ihre Kinder online zu
schützen? 

Soziale Medien haben eine große Rolle im „modernen“ Mobbing übernommen. Kinder sind nicht mehr nur in der Schule, sondern auch zu Hause online möglichen Mobbingangriffen ausgesetzt. Eltern sollten einen offenen Dialog über Online-Aktivitäten führen, die Privatsphäre-Einstellungen überprüfen und ihren Kindern beibringen, respektvoll und sicher im digitalen Raum zu interagieren. Erfahrungsgemäß agieren Kinder, die ihre Bildschirmzeit am Handy beschränkt bekommen, deutlich bedachter und bewusster an ihrem Handy als diejenigen, die jederzeit und unlimitiert Zugriff auf alle Apps haben.

4. Gibt es bestimmte Risikofaktoren oder Merkmale bei Kindern, die sie anfälliger für Mobbing machen, und wie können Eltern präventive Maßnahmen ergreifen?

Es gibt keine in der Persönlichkeit der Täter oder Opfer liegenden direkten Merkmale. Man kann also nicht sagen, dass die Brillenträgerin mit der Zahnspange öfter gemobbt wird, aber es gibt gewisse Risikofaktoren: häufig stehen schwächere und ängstliche Personen im Fokus. Eltern können präventive Maßnahmen ergreifen, indem sie die Selbstachtung ihrer Kinder stärken, ihre sozialen Fähigkeiten fördern und ein unterstützendes Umfeld schaffen. Gründe für Mobbing werden aber oft ganz willkürlich gesetzt oder manchmal auch bewusst konstruiert, sodass wissenschaftlich kein besonderer „Mobbing-Opfer-Typ“ nachgewiesen ist.

5. Welche Unterstützung und Hilfsangebote stehen Kindern zur Verfügung, die Opfer von Mobbing sind, und wie können Eltern ihre Kinder dabei am besten unterstützen?

Hier existiert kein allgemeingültiges Patentrezept, da jeder Fall individuell ist. Es ist wichtig, rechtzeitig zu reagieren und nicht zu lange zu warten. Mobbingopfer sollten deutlich machen, dass das belastende Verhalten unerwünscht ist. Gespräche mit Freunden über den Vorfall können hilfreich sein. Auch Maßnahmen wie das Suchen von Verbündeten, das direkte Konfrontieren des Mobbenden und das Einbeziehen von Dritten in Erwägung gezogen werden. In der Schule gibt es verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten, darunter Sozialarbeiter und Lehrer, die aktiv in die Problemlösung einbezogen werden können. Eine offene Kommunikation zwischen Eltern und Kindern ist besonders wichtig. Eltern sollten einfühlsam mit ihren Kindern über die Erfahrungen sprechen, Vertrauen aufbauen und gegebenenfalls professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, sei es durch Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen oder spezialisierte Vereine. Am wichtigsten ist, dass Eltern ihrem Kind zeigen, dass es die volle Rückendeckung hat und dass das Problem zusammen angepackt wird. Zudem sollten die Eltern sich umgehend an die Lehrer wenden. Letztlich ist es entscheidend, individuelle Strategien mit dem Kind zusammen zu entwickeln und auszuprobieren, um das Kind bestmöglich zu unterstützen.

6. Auf welchem Weg können Schulen und Lehrer aktiv gegen Mobbing vorgehen, und welche Programme oder Strategien haben sich als wirksam erwiesen?

Die Aktion mit der allerhöchsten Erfolgsgarantie ist nach wie vor, dass Lehrer dafür sorgen, dass Mobbing gar nicht erst entsteht. Es muss eine Klassenkultur aufgebaut werden, in der Respekt und Toleranz herrscht. Hier wäre es ziemlich
naiv zu denken, dass die Kinder schon allein
miteinander klarkommen. Projekttage
und Aktionen auf Schulebene können dazu
beitragen, eine Kultur zu schaffen, in der
Mobbing möglichst schnell unterbunden
werden kann. Da Mobbing nicht nur in
Schule stattfindet, sondern durch soziale
Netzwerke das Kind auch bis nach Hause
verfolgen kann, ist es wichtig, dass auch
Eltern mit in das Anti-Mobbing-Konzept
einbezogen werden.

7. Wie können Eltern und Schulen gemeinsam daran arbeiten, eine Kultur des Respekts und der Toleranz in der Schule zu fördern, um Mobbing langfristig zu reduzieren?

Erfolgversprechend ist vor allem, möglichst viele Akteure mit ins Boot zu holen und eine Kultur des Hinschauens aufzubauen. Wenn Lehrkräfte nicht intervenieren, betrachten Kinder das als stillschweigende Duldung. Das resultiert darin, dass sie das eigene Verhalten als nicht so schlimm betrachten und das Mobbing geht weiter. Ansonsten sind Klassengespräche und der Aufbau eines starken sozialen Zusammenhalts Schlüsselpunkte, um Mobbing nicht entstehen zu lassen. Durch eine Null-Toleranz- Politik, die Integration von Anti-Mobbing- Themen in den Schulalltag, die Anwendung von Methoden wie zum Beispiel der FARSTA-Methode oder dem „No Blame Approach“ in einem konkreten Mobbingfall kann dann aktiv gegen Mobbing vorgegangen werden.

FARSTA-METHODE:

Die FARSTA-Methode ist ein Anti-Mobbing-Ansatz, der darauf abzielt, Mobbing in Schulen durch die Identifizierung und Unterstützung von Mobbingopfern aktiv zu bekämpfen. Sie umfasst eine systematische Befragung der Schülerinnen und Schüler durch Lehrkräfte oder geschultes Personal, um Hinweise auf Mobbing zu erkennen und die betroffenen Schülerinnen und Schüler zu unterstützen. Durch individuelle Gespräche und Interventionspläne wird dann versucht, das Mobbing zu stoppen und ein positives Schulklima zu fördern.

„No Blame-Approach“:

Die „No Blame Approach“ ist eine Methode zur Bekämpfung von Mobbing, die darauf verzichtet, die Schuldigen zu bestrafen oder zu beschuldigen. Stattdessen konzentriert sich dieser Ansatz darauf, ein Verständnis für die Situation des Opfers zu schaffen und eine Gruppe von Gleichaltrigen einzubeziehen, die dabei helfen soll, das Mobbingverhalten zu beenden und eine unterstützende Gemeinschaft um das Opfer zu bilden. Ziel ist es, eine positive Veränderung durch Verantwortungsübernahme und Empathie zu bewirken, ohne die Täter zu stigmatisieren.

Falls ihr betroffen seid, oder Hilfe benötigt, könnt ihr euch auch an folgende Adressen wenden:
Schau hin

„SCHAU HIN!“
Tipps und Weiterbildung für Eltern zum richtigen Umgang mit Medien:
https://www.schau-hin.info/

klick safe

Klick-safe
Medienerziehung, Tipps & Tricks für Eltern
www.klicksafe.de

Nummer gegen Kummer

Nummer gegen Kummer
Beratungsangebot für Eltern, Kinder & Jugendliche per Telefon, E-Mail oder Chat
www.nummergegenkummer.de

skid

Skid Starke Kinder – starke Menschen gGmbH
Präventionskurse zu Selbstvertrauen und Zivilcourage
www.skid-starkekinder.org

MiNaGo e.V.
„Coole Kids smart im Netz“ ein interaktives Workbook für mehr Sicherheit im Internet
www.minago.net

Zeichen gegen Mobbing e.V.

Zeichen gegen Mobbing e.V
Präventionskurse und Seminare an Schulen und Bildungseinrichtungen, Intervention
www.zeichen-gege-mobbing.de