Bergische Papa-Kolumne: "So oder so ..."
Die 7-Jahresregel
Schon mal vom „Nestbautrieb“ gehört? Den haben bei Vögeln Weibchen und Männchen gleichermaßen. Und bei uns Menschen? Gibt’s diesen Trieb auch, sogar regelmäßig! Heute Morgen zum Beispiel: Ich mache mich gähnend, ohne jeden bösen Gedanken auf den Weg zur Kaffeemaschine. Dabei komme ich an der großen, leeren Wand vorbei. Diese Wand wollen wir seit dem Einzug (vor sieben Jahren!) zur Galerie mit Familien-Fotos umgestalten. Noch aber sind die Fotos in einer großen Kiste versenkt. Immerhin gerahmt. „Müsste man endlich in Angriff nehmen, die Galerie“, denke ich angesichts der leeren Wand.
Auf den letzten Metern, kurz vor der Kaffeemaschine, fällt mein Blick auf die Schramme ganz unten am Fuß des Küchenblocks. Da, wo einst ein grobmotorisches Besucher-Kind sein Bobbycar im Holz versenkt hat. Ist schon eine Weile her, und das Kind mittlerweile unterwegs Richtung Autoführerschein.
„Hässlich“, denke ich. „Sieht verwohnt aus.“ Obwohl diese Schramme außer mir nie jemand bemerkt. Ich muss trotzdem dreimal täglich hingucken. Normalerweise ohne Konsequenzen. Nicht so heute Morgen. Da war’s plötzlich Sense mit entspanntem Kaffeetrinken. Die leere Wand und die Schramme hatten einen fatalen Gedanken ausgelöst: „Ich könnte mal wieder renovieren!“
Von diesem Phänomen hat mir vor Jahren ein altgedienter Architekt berichtet: Alle sieben Jahre jucke es die Menschen, sich ein neues Nest zu bauen. Oder das alte Nest zu renovieren. Sogar in einem Fast-Neubau. Auch wenn die Leute gerade erst eine Haussanierung auf dem schmerzenden Buckel haben, inklusive neuem Dach und trockengelegtem Keller. Selbst wenn sie Umzüge hassen wie Sechsjährige einen Teller voll Rosenkohl – plötzlich ist der Gedanke da: „Ich könnte mal wieder renovieren!“
An normalen Tagen enden solche Renovierungsvorhaben mit einem Besuch bei IKEA. Nach drei Stunden landet im Kofferraum ein Schränkchen mit dem Namen eines Knäckebrots; das wird dann zu Hause aufgebaut, und fertig ist die Laube. An schlimmeren Tagen tickert der Blinker an der Kreuzung jedoch Richtung Baumarkt. Und dort geht’s dann gleich in die Abteilung für größere Bauvorhaben – ins Hilti-Land. Für Anfänger: „Die Hilti ist der Bello unter den Bohrern.“ Keine Schleichwerbung, sondern ein Zitat vom Nachbartisch in der Kneipe. Das Hilti-Land muss man sich folglich als Pendant zum Bällebad für große Jungs in Arbeitshosen vorstellen. Nach einem kurzen Rundgang durch die Regalreihen ist mein Reparaturhunger dann meistens wegen optischer Übersättigung gestillt. Zum Glück.
Da ich heute Morgen aber weder zu IKEA noch zum Baumarkt gefahren bin, heißt das: Ich bin dabei, einen großen Fehler zu begehen: Ich mache ernst!
Ich könnte mal wieder
renovieren!
Warum das ein Fehler ist? Weil ich zu denen gehöre, die zwei linke Hände haben, aber sozusagen „innerlich“ der perfekte Handwerker sind. Anders ausgedrückt: Ich bin mehr so der gefühlsmäßige Praktiker. Eine unglückliche Kombination. Wenn Menschen wie ich renovieren, endet das immer mit einer sehr teuren Handwerker-Rechnung. Irgendeiner muss die Schäden meiner „Reparaturen“ ja wieder richten. Falls Sie selbst anders sind, handwerklich richtig was drauf haben – Glückwunsch! Andernfalls und wenn bei Ihnen die 7-Jahresregel gilt, dann habe ich einen Tipp für Sie:
Im sechsten Jahr fix einen Kalender vom Vorjahr an die leere Wandstelle hängen. Dann kommen Sie nicht auf dumme Gedanken – ist ja noch ein ganzes Jahr Zeit.
Ihr Bergischer Papa