Bergische Papa-Kolumne: "So oder so ..."

Alles Pfusch!

Lehrer aufgemerkt, in der heutigen Kolumne geht es ums Lügen und Betrügen während eurer Klassenarbeiten! Die gute Nachricht vorweg: Heutige Schulkinder schummeln nicht mehr. Sie glänzen im Unterricht und bei Klassenarbeiten mit hart erarbeitetem Wissen, angelesener Bildung und konsolenerprobter neurologischer Kompetenz. Meine Quelle für diese Erkenntnis: Ein verlässlicher Viertklässler aus engstem Familienkreis.

Der Anlass unseres Gesprächs war ein Fund besagter zweibeiniger Quelle in meinem Bücherregal: Ein Taschenbuch aus meiner eigenen Schulzeit, also ungefähr von … ein paar Jahre alt jedenfalls. Das Büchlein war bräunlich verfärbt und aufgrund starker Benutzung an den Ecken geknickt, aber tadellos lesbar. Auf dem Cover titelte das von mir verschollen geglaubte Werk: „Schummeln – aber richtig!“ (mit Gedankenstrich und Ausrufezeichen) Auf der ersten Innenseite stand dann: „Schummeln aber richtig“ (ohne alles). Und im Impressum: „Schummeln, aber richtig“ (mit Komma). In Sachen Interpunktion hat man es … seinerzeit wohl nicht so genau genommen. Mein Sohn fand den Buchtitel jedenfalls ansprechend – so oder so. Wir haben es uns gemütlich gemacht und das Werk gemeinsam durchgeblättert.

Der Autor schlägt inhaltlich einen Bogen von klassischen Schummel-Methoden bis hin zum Einsatz von (damals) modernster Technik. Klassiker wie Löschblatt-Beschriften (gibt’s eigentlich noch Löschblätter?) oder Lineal-Ritzen dürfen da natürlich nicht fehlen. Bei Letzterem ritzt man das fehlen de Wissen per Zirkelspitze direkt ins Material.
Der Clou: Das Geschriebene ist nur bei einem bestimmten Lichteinfall zu lesen, ansonsten kann das Lineal oder Geodreieck offen auf dem Tisch liegen bleiben.

Und dann entdecke ich auf Seite 16 die „Schummelzettelrakete“, ein selbsterprobter Klassiker! Hierbei wird ein Gummiband am Oberarm festgebunden und am anderen Ende mit einem Spicker versehen. Während der Klassenarbeit zieht man den vom Hemdsärmel verborgenen Spicker ein wenig hervor, liest die gewünschten Infos in der Handinnenfläche und lässt den Spicker bei Gefahr einfach am Gummi zurück in den Ärmel schnellen. Soweit die Theorie. Ich erinnerte mich an eine Lateinarbeit, während der ich den Spicker zurückflitschen ließ und er so heftig gegen meinen Arm schnalzte, dass ich erschrocken „Autsch!“ rief. Mein Sohn bemerkte mein versonnenes Grinsen. „Hast du das mal ausprobiert, Papa?“ – „Yep. Hat beim ersten Versuch weh getan und beim zweiten Mal ist der Pappzettel abgerissen.“ – „Also bist du erwischt worden?“ – „Beinahe. Wenn ich den Zettel nicht rechtzeitig runtergeschluckt hätte.“ Der bewundernde Blick meines Sohns gab mir fast ein bisschen das Gefühl James Bond zu sein, der mit einem Martini in der Hand von vergangenen Missionen schwadroniert.

Bei den fortgeschritten Schummel-Methoden stießen wir im Kapitel „Externes Schreiben“ darauf, wie man mittels Walkie Talkies, am Körper festgeklebtem Kabel und einem selbstgebastelten Knopf im Ohr einen auf dem Schulklo sitzenden Ghostwriter nutzen kann. Berechtigte Frage meines Sohns: „Warum habt ihr nicht einfach eure Handys benutzt?“ – „Nun, ähm, die waren damals noch nicht so gut wie heute.“

Kolumne Bergischer Papa

Schüler schummeln nicht mehr.

Kolumne Bergischer Papa Schreibmaschine

Was das Büchlein zum Glück nicht verschweigt: Das akribische Bekritzeln von Miniatur-Spickzetteln mit binomischen Formeln führt schlussendlich dazu, dass der eifrige Schummler den ganzen Wumms auswendig kann. Trotzdem hatte ich plötzlich Gewissensbisse. Ist die gemeinsame Lektüre eines Pfusch-Buchs mit dem eigenen Sohn pädagogisch vertretbar? Doch ich konnte aufatmen. Er versicherte mir glaubhaft, dass Schummeln heutzutage gar nicht mehr nötig sei: „Bei uns sind die Lehrer so nett, dass man sie einfach fragen kann, wenn man was nicht kapiert.“ Tja, zum Glück haben sich in der Schule einiges geändert, seit … damals.

 Ihr Bergischer Papa