Bergische Papa-Kolumne: "So oder so ..."
"Reifenwechsel mit Vorwürfen"
Menschen, die alles, wirklich alles mit einem vorwurfsvollen Unterton sagen – kennt jeder, oder? Warum machen die das? Ich vermute, die haben das in ihrer DNA. Die können nicht anders. Und entweder geht man sofort zum Angriff über oder man lächelt den Nörgler einfach überfreundlich in die Knie. So mach’ ich es. Schont die Nerven.
Neulich hatte ich wieder so einen Fall: Unser Familienauto musste für den Sommerurlaub fit gemacht werden. Ach, ich muss noch vorausschicken: Ich bin ein schrecklicher Autobesitzer. Sicher, ich tanke brav und wasche den Wagen gelegentlich. Aber ansonsten: Wartungsintervalle, Ölwechsel, Reifendruckkontrolle – alles Fremdwörter für mich. Deshalb war ich auch seit drei Monaten ohne gültige TÜV-Plakette unterwegs, als ich den Wagen auf den Werkstatthof rollte …
Der Meister drehte mit mir eine erste Runde ums Auto, wobei er ein Gesicht machte, für das Moses schon im Alten Testament den Begriff „Saure-Gurken-Gesicht“ erfunden hat. Natürlich erspähte er sofort die abgelaufene Plakette und knurrte mich an: „Abgelaufen. Schon lange!“ Mit einem Blick, den Verkehrsrichter aufsetzen, wenn jemand ein Rehkitz überfahren hat. Absichtlich. Ich atmete tief durch und konterte mit einem freundlichen Nicken: „Deshalb bin ich hier.“
Weiter ging die Runde mit Kopfschütteln und tadelnden Blicken. „Und Inspektion? Wann waren Sie das letzte Mal bei uns?“ Bevor ich das Wort „Serviceheft“ aussprechen konnte, hatte er mich schon am Wickel: „Der letzte Stempel is‘ sechs Jahre alt!“ Er schnaubte fies. So schnauben Tatort-Kommissare, wenn sie sonntagabends einen Serienmörder festnehmen. Ich überlegte gerade, ob es klug wäre, den Gag noch mal zu bringen: „Deshalb bin ich hier.“ Da deutete der Schrauberchef schon auf die Garage: „Wollen Sie, dass ich ihn mal auf die Hebebühne fahre?“ – Ich achselzuckend: „Klar, wenn Sie meinen.“ – Er: „Das müssen sie doch wissen!“ Typen wie er werfen mit Sicherheit ihrem Kaffeepott vor, wenn der Espresso zu lasch ist.
Er musterte mich noch einmal von oben bis unten und rumpelte mit meinem Wagen auf die Hebebühne. Dort leuchtete er akribisch mit seiner Stablampe in Unterbodenwinkel, die nie zuvor Tageslicht erblickt hatten. Schließlich ein lang gezogenes Seufzen: „Die Bremsbeläge … dünn wie ein DIN A4-Blatt!“. Ich zwinkerte ihm zu: „Sicher A4? Nicht A5?“ Keine gute Idee. Seine Miene versteinerte, er war persönlich getroffen. Er sagte es nicht, aber er dachte es sehr laut: Idioten. Den ganzen Tag nur Idioten hier! Während er weiter leuchtete und sich Vorwürfe in den Spitzbart grummelte, hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, mich verteidigen zu müssen. Aber ich schwieg. Aus Sicherheitsgründen.
Schließlich winkte er mich in sein Büro. Hier hämmerte er mit zwei Fingern die Auftragsbestätigung in die PC-Tastatur. Er begleitete seine Buchstabensuche mit verächtlichem Gemurmel: „Neuer TÜV … neue Reifen … neue Bremsen … neues Öl …“ Den abschließenden Mausklick auf „Print“ begleitete ein gebrummtes: „Das wird teuer!“ – Er behielt recht.
Der Ausdruck mit der Endsumme verriet mir: Unser Sommerurlaub würde eine Woche kürzer werden, als geplant. „Alles korrekt?“, fragte der Meister. Naja… Doch ich wusste: Dies war nicht die Zeit zu diskutieren. Diese Zeit war längst abgelaufen. Ich hatte nur noch demütig zu nicken. Also nickte ich.
Reifenwechsel mit Vorwürfen
Und heute? Mein Auto ist so gut wie neu. Aber ich habe jetzt schon keine Ahnung mehr, wie lange die TÜV-Plakette gültig ist. Die Werkstatt, der Meister, die teure Rechnung – alles so gut wie vergessen. Ich höre nur manchmal in meinen Träumen diese vorwurfsvolle Stimme: „Wir sehen uns in 10.000 Kilometern! Spätestens!“
So oder so: Der Sommer ist zu kurz für Vorwürfe, und der ADAC kommt ganzjährig. In diesem Sinne allen bergischen Familien gute Fahrt in einen wohlverdienten Urlaub!
Euer
Bergischer Papa